Die Grenzen zwischen dem im Überfluss lebenden Westen und dem Rest der Welt sind in unserem Alltag in der Schweiz zwar unsichtbar, aber stets präsent. Und jeder Mensch, der in einer braunen Haut steckt, spürt diese Linie, durch den Körper gezogen. Wenn ich mit dem Zug die Grenze überquere, fällt die Stichprobe des Passes stets auf mich – und alle anderen Dunkelhäutigen im Zug, deren Reise dort oft endet. Auch am Flughafen werde ich immer viel gründlicher kontrolliert, als die übrigen, hell-häutigen Mitreisenden. (Schon mein Vater lehrte mich, dass wir – als Ausländisch-Aussehende – die Regeln stets noch mehr achten müssen, als die Schweizer. Aber ich bin doch auch ein Schweizer! Weshalb ich auch nicht aus dem Zug steigen muss.)
Durch unsere geographische Lage erreichen aber keine Ausser-Europäischen Migranten direkt die Schweizer Grenze. Dramatische Bilder von Menschen, die ihr Leben riskieren, um in unser Land zu kommen, bleiben uns damit erspart. Im Gegensatz zu den Mittelmeer-Ländern, schwimmen in unseren Gewässern keine überfüllten Gummiboote wie in Italien oder versuchen Massen von Menschen unsere Grenz-Abschrankungen zu überrennen, so wie in den spanischen Exklaven wie Ceuta.
Europa I (Boot)
Öl auf Leinwand ab digitaler Foto-Collage 100 cm x 130 cm
Und unsere Asylzentren befinden sich an den Rändern der urbanen Zentren, oft in Zivilschutzanlagen untergebracht, welche schon von ihrem Design her eine Unsichtbarkeit anstreben. Zusätzlich werden sie vom Berufsalltag ausgeschlossen und durch Sperrstunden am Abend vom sozialen Leben abgeschnitten.
Aber solange die enorme materielle Ungleichheit zwischen Europa und Afrika und Asien besteht, solange werden auch Menschen hierherkommen. Und solange werden wir uns auch vor ihnen fürchten, sie an der Grenze abweisen, uns mit Mauern schützen und Menschen ertrinken lassen...
Und der Preis, den wir dafür zahlen, ist diese stete Furcht – vor dem Dunkelhäutigen, vor dem Fremden. Dieser bedrohlichen, unbekannten, dunklen Masse, die unser Leben, so wie wir es kennen, bedroht. Da wir letztlich wissen, dass unser Lebensstil nicht nachhaltig ist – und schon gar nicht, wenn alle Menschen so viel Wohlstand hätten, wie wir ihn bisher geniessen.
Die letzten 50 Jahre ist der politische Diskurs massgeblich bestimmt von der Einwanderung und deren Auswirkungen auf unser multikulturelles Zusammenleben. Die Veränderungen in der demographischen Zusammensetzung der neuen Generationen beeinflusst das psycho-soziale Selbstbild unserer Gesellschaft, worin eine Furcht vor dem Einfluss des „Fremden“ eine immer wiederkehrende Trope ist. Diese Ängste werden zusätzlich aus politischen Gründen geschürt, mit bildhafter Sprache und suggestiven Illustrationen während den Abstimmungskampagnen.
Europa II (Mauer)
Öl auf Leinwand ab digitaler Foto-Collage 75 cm x 200 cm
Menschen wie ich, die dieses Fremde – ungefragt und vielleicht ungewollt – auf unserem Körper gezeichnet haben, müssen die damit einhergehende Abgrenzung erdulden. Abgewiesene verzweifeln, auf Bescheid Wartende bangen. Und die, welche hier doch zum Privileg eines Daseins in der Schweiz kommen, müssen um die Erhaltung dieses Wohlstandes fürchten. Auch ich, in meiner dunklen Haut, finde mich auf einmal auf der anderen Seite der Mauer, werde selbst zum Grenzwächter.
Robin Bhattacharya
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